LIEDERLUST ♪ 25 – Der Wein, das Bier und die verdammte Liebe

„Der Wein, das Bier und die verdammte Liebe haben mich verrückt gemacht!“ Was für eine Aussage. Vielleicht eine Einsicht zu später Stunde, einsam bei einem Glas Wein oder einer Halben Bier? Oder einfach nur ein philosophischer Geistesblitz am Wirtshaustisch? Jedenfalls ist es der Beginn eines ungewöhnlichen Trinkliedes, das in dieser Form nur im Kesseltal, einem kleinen Bachtal südlich des Rieses (in Nordschwaben), belegt ist.

Im Kesseltal konnte ich bei Feldforschungen viele ungewöhnliche Lieder aufzeichnen. In einem früheren Beitrag habe ich euch schon mal davon berichtet. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir die unbändige Singlust der dortigen Sänger, die mich immer wieder aufs Neue begeistert und inspiriert hat. Dieses Trinklied war eins der Lieblingslieder von Heiner Thum (*1930) und Hermann Schröppel (*1938) aus Forheim, denen der Schalk aus allen Poren sprühte, wenn sie das Lied anstimmten.

Hermann Schröppel aus Forheim war nicht nur ein begeisterter Sänger, sondern auch ein leidenschaftlicher Zigarrenraucher..
Heiner Thum aus Forheim (rechts) war der Vorsänger und Anstimmer beim Singen. Hier zusammen mit Xaver Reiter (Pfeifabauer).


Der Text gab uns einige Rätsel auf, besonders der Refrain: ‚Ei, du gar balde, du versoffne Seele, s’Kügale isch jetzt dussa, jetzt wirds ma wieder wohl.‘

Schon der Beginn ‚Ei, du gar balde’ ist etwas kryptisch. Durch Zufall entdeckten wir in einer Musikantenhandschrift ein Tanzmusikstück mit der gleichen Melodie übertitelt mit ‚Garibaldi-Schottisch’. Wir kombinierten daraus, dass es ursprünglich wohl ‚Ei, du Garibaldi, du versoffne Seele’ geheißen hat. Der italienische Freiheitskämpfer Guiseppe Garibaldi (1807 – 1882) hat es wohl eher nicht bis ins Kesseltal geschafft und so wurde aus ‚Garibaldi’ einfach ‚gar balde’. Von übermaßigem Alkoholkonsum Garibaldis ist allerdings nichts bekannt. Das sollte man wohl nicht allzu wörtlich nehmen …..

Ein Standbild von Guiseppe Garibaldi findet sich in fast jeder italienischen Stadt.

Und das ‚Kügele’, das jetzt ‚dussa’ isch (für alle Nichtschwaben: ‚dussa’ ist ‚draußen’) lässt auch Spielraum für allerlei Interpretationen. Das möchten wir gerne eurer Phantasie überlassen.

In der zweiten Strophe kommt das ‚Heidelberger Fass’ vor, an das sich die Lena gewöhnen muss. Wenn man recherchiert, erfährt man, dass dieses Heidelberger Fass ein Riesenfass ist, das fast 220 000 Liter fasst und im Auftrag des Kurfürsten der Pfalz 1751 fertiggestellt wurde. In dem Fass wurde der Wein, den die Winzer der umliegenden Gebiete dem Heidelberger Pfalzgrafen als Zehnten abgeben mussten, gelagert. Noch heute gilt es als grösstes Holzfass der Welt, das auch tatsächlich mal mit Wein gefüllt war und man kann es auch noch im Heidelberger Schloss besichtigen. Daraus kann man wohl schließen, dass unsere Sänger seeehr durstig waren, wenn ihnen so ein Fass beim Trinken in den Sinn kam.

Vielleicht bekommt ihr beim Singen ja auch Durst!? Sehr zu empfehlen ist das köstliche Bier aus der Hausbrauerei der Kreisheimatstube in Stoffenried. Wir bedanken uns sehr, dass wir inmitten der Museumsbrauerei unser Lied aufnehmen durften.

Und nun viel Freude beim Anhören, Lernen und Mitsingen! Prost!

Der-Wein-das-Bier-Kopie

Das Liedblatt können Sie hier herunterladen: Der Wein, das Bier

Alle Beiträge zur LIEDERLUST finden Sie HIER.

Veröffentlicht von

Dagmar Held

Leiterin der Forschungsstelle für Volksmusik in Schwaben

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