LIEDERLUST ♪ 40 – Frisch auf zum Jagen auf

‚Frisch auf, frisch auf, zum Jagen auf‘ ist nur vordergründig ein Jägerlied. Im Prinzip geht es doch mehr ums Essen und natürlich auch um die Liebe. Auf jeden Fall macht es gute Laune und Lust selbst loszuziehen – sei es jetzt ins Gebirge oder in ein Wirtshaus, in dem gut aufgekocht wird. Vielleicht findet sich dort ja der ominöse Specksalat auf der Speisekarte, der in dem Lied verzehrt wird.

Im Liederbuch „Der Zupfgeigenhansl“ ist dieses Lied mit dem Titel „Der Specksalat“ überschrieben und findet sich in der Rubrik “Schlemmlieder“ – eine tolle Kategorie. Der Specksalat muss wohl eine wahre Köstlichkeit sein. Ich habe mich beim Singen immer schon gefragt, was das wohl ist, ein Specksalat. Spaßeshalber habe ich den Begriff jetzt mal im Internet gesucht und wurde mit Rezepten buchstäblich zugeschüttet. Die meisten haben allerdings den Speck nur als pikante Zutat dabei z.B. Kartoffelsalat mit Speck oder Krautsalat mit Speck in hunderterlei Variationen. Aber es findet sich tatsächlich auch ein Specksalat mit Essiggurke in der Vielzahl der Angebote, im Prinzip ein Wurstsalat, nur halt mit der Hauptzutat Speck. Falls ihr wisst, was ein Specksalat ist, dann würde mich das brennend interessieren. Schreibt es doch einfach in die Kommentare.

Aber zurück zum Lied: Seine weite Verbreitung bis in unsere Tage verdankt es ganz sicherlich seiner Veröffentlichung im „Zupfgeigenhansl“, dem Liederbuch der Wandervogelbewegung, das 1908 von Hans Breuer (1883-1918) herausgegeben wurde. Die Wandervogelbewegung war eine Bewegung junger Menschen, die sich um 1896 gebildet hat – aus Protest gegen die bürgerliche Enge, den Zwang und die Autorität im damaligen Kaiserreich und inspiriert durch romantische Ideale und dem Wunsch in der Natur zu sein. Aus dieser Idee entstand dann auch die Jugendbewegung.
Unverzichtbarer Bestandteil auf den Wanderungen der singbegeisterten Schar war die Gitarre. Sie hat dem Liederbuch auch seinen Namen gegeben: „Zupfgeige“ war damals die scherzhafte Bezeichnung für die Gitarre oder die unter den Wandervögeln beliebte Gitarrenlaute (im Prinzip spielbar wie eine Gitarre, allerdings mit einem Lautenkorpus versehen).

Deckblatt der 115. Auflage des Zupfgeigenhansl (649. – 653. Tausend)

Bereits als Schüler kam Hans Breuer in Berlin mit der Wandervogelbewegung in Kontakt und begeisterte sich für das deutsche Volkslied. Das von ihm zusammengestellte Liederbuch prägte den Liederschatz der Jugendbewegung stärker als jedes andere Buch. Das Buch wird in beinahe unveränderter Form bis heute gedruckt. Die Gesamtauflage ist unbekannt, wird aber auf über eine Million Exemplare geschätzt. Die Sammlung enthält in den späteren Auflagen 260 Lieder und ist in folgende Themenbereiche gegliedert: Abschied – Minnedienst – Liebesklage – Balladen – Geistliche Lieder – Am Abend – Freude – Sommerlust – Auf der Landstraße – Auf Schiffen und Rollwägen – Spinnstube – Soldatenlieder – Schlemmlieder – Beim Bauer – Tanz – Schnurren. Ein Teil der Lieder hat Hans Breuer direkt auf Wandervogelfahrten gesammelt, viele Lieder wurden aber auch aus anderen Volksliedsammlungen wie z.B. Des Knaben Wunderhorn von Brentano oder dem Deutschen Liederhort von Erk und Böhme übernommen. Das Liederbuch hat damals einen Nerv getroffen, ganz sicher auch durch die sorgfältige und gelungene Auswahl der Lieder. Viele Volkslieder, die heute noch gerne gesungen werden, finden sich im Zupfgeigenhansl.

In die Volksmusikpflege in Bayern ist das Lied vom Specksalat durch die Forschungsexkursionen des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege gelangt. Seit Ende der 1970er Jahren zog ein Team um den Volkskundler Wolfgang A. Mayer zwei Wochen lang zu Fuß durch einen Bezirk Bayerns. Diese Exkursionen wurden in allen Bezirken durchgeführt und ihre Ergebnisse haben die Volksmusikpflege in Bayern nachhaltig geprägt.
Bei einer Befragung in Pollenfeld, einem kleinen Dorf bei Eichstätt in Oberbayern, konnte so das Lied vom Specksalat aufgezeichnet werden. Das muss ein ganz besonderer Abend gewesen sein, an dem viele interessante Lieder erklungen sind, vor allem zu vorgerückter Stunde (als Feldforscher darf man nicht zu früh nach Hause gehen). Mein Kollege Franz Schötz, der damals auch mit im Team war, hat mal scherzhaft und fast schon etwas ehrfürchtig von ‚der langen Nacht von Pollenfeld’ gesprochen. Da wäre ich auch gern dabei gewesen.

Die größte Herausforderung beim Aufnehmen war das unwegsame Gelände.

Wir haben uns zum Aufnehmen eine ‚wilde Ecke’ in Lektors Garten in Unterwiesenbach im Landkreis Günzburg gesucht. In diesem Garten findet man nicht nur Krokuswiesen, sondern auch allerlei verwunschene Ecken in einem kleinen Wäldchen. Wir bedanken uns recht herzlich, dass wir dort aufnehmen durften.

Wir wünschen euch nun viel Vergnügen beim Lauschen, Schauen, Lernen und Mitsingen.

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Das Liedblatt können Sie hier herunterladen: Frisch auf, frisch auf, zum Jagen auf

Alle Beiträge zur LIEDERLUST finden Sie HIER.

Veröffentlicht von

Dagmar Held

Leiterin der Forschungsstelle für Volksmusik in Schwaben

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