LIEDERLUST ♪ 39 – Der Jukukuku is im Winkerl gsessn

Der Jukukuku is im Winkerl gsessn, hat nix als wia doagige Birnal gfressen. Diese kryptischen Zeilen sind der Anfang einer Geschichte, in der sich der Jukukuku bzw. Kuckuck wieder mal als junger Mann auf Freiersfüßen entpuppt. Ganz besonders der kreative Umgang mit der Sprache, das Spielen mit einzelnen Silben und die vielen unerwarteten Wendungen, die die Geschichte nimmt, macht dieses Lied so besonders und originell.

Auf den ersten Blick, könnte man meinen, ein altes Lied, so rund und stimmig kommt es daher. Aber wenn man genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass dieses Lied das Ergebnis eines behutsamen Prozesses ist. Bruchstücke und Textfragmente aus verschiedenen Quellen wurden neu zusammengefügt und so ist ein interessantes neues Ganzes entstanden.

Ein wesentlicher Teil des Liedes findet sich im Liederbuch für die niederbayerische Jugend, das der Lehrer Ferdinand Neumaier (1890 – 1969) unter dem Titel „Sing mer a weng“ 1958 herausgegeben hat. Die ersten drei Strophen sind dort abgedruckt, in einer kleinen Variante auch die Melodie.

Faksimile aus „Sing mer a weng“ – Liederbuch für die niederbayerische Jugend, hg. von Ferdinand Neumaier, München 1958.

Doch wo kommen die anderen Strophen her? Der Münchner Volkskundler Wolfgang A. Mayer wurde im Nachlass des berühmten Sprachforschers Johann Andreas Schmeller fündig, der in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt wird. Schmeller hat das Lied aus der Erinnerung heraus an seine Jugend in Rinnberg im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm aufgeschrieben.

Johann Andreas Schmeller (1785 -1852) war im 19. Jh. der große Sprachforscher, der im Auftrag des bayerischen Königshauses in ganz Bayern Dialektwörter gesammelt und sie als Wörterbuch herausgegeben hat. Dieses umfasst vier Bände und ist bis heute ein Grundlagenwerk für Sprachwissenschaftler. Er gilt als Begründer der modernen Mundartforschung in Deutschland.

Beinahe wäre sein Leben ganz anders verlaufen und er hätte vielleicht in deutschen Sprachinseln in Ungarn Dialekte erforscht: Seine Vorfahren waren Bauern im Stiftland des Klosters Waldsassen. Seine Eltern übersiedelten nach Griesbach bei Tirschenreuth, wo der Vater als „Straßeneinschäufler“ und Korbmacher den Lebensunterhalt der Famile verdiente. Dort wurde Johann als fünftes Kind der Familie geboren. Als er eineinhalb Jahre alt war, zog die Familie ins reichere Oberbayern, in der Hoffnung auf ein wirtschaftlich besseres Leben. Auf dem Weg dahin kamen sie auch durch Regensburg und wären beinahe an Bord eines Auswandererschiffes gegangen, um auf der Donau nach Ungarn auszuwandern. Aber auf Wunsch der Mutter zogen sie doch nach Süden weiter und kauften ein kleines Bauernanwesen in Rinnberg im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte. So schildert Johann Andreas Schmeller es in seinen Lebenserinnerungen. Auf Wikipedia könnt ihr noch viel Interessantes über ihn erfahren.

Die Birne in Christophs Hand hat uns Franz Schötz mitgebracht. Sie stammt vom Spalier an seinem Haus und war kein bisschen ‚doagig‘.

Die Aufnahme ist an einem geschichtsträchtigen Ort entstanden – der Hiensölde in Mitterfels im Landkreis Straubing-Bogen. Die Hiensölde ist ein ganz besonderes Haus, vor allem ein ganz besonders altes. Bei diesem ehemaligen Kleinbauernhaus handelt es sich um einen der ältesten bekannten Blockbauten in Niederbayern. Bis auf einen in Bruchsteinmauerwerk errichteten Sockel wurde das Haus vollständig in Blockbauweise errichtet. Eine Untersuchung ergab für das Erdgeschoß eine Entstehung im Jahr 1436. Und vor einer dieser fast 600 Jahre alten Mauern stehen wir. Da wird man schon ganz ehrfürchtig. Wer hier wohl schon aus und ein gegangen ist? Aber wahrscheinlich hat noch niemand vor dieser Mauer vierstimmig gesungen!

Ach ja, und wer jetzt dann beim Lied rätselt was denn ‚ferschling‘ und was ‚arschling‘ ist. Das ist ganz einfach: ‚ferschling‘ bedeutet einfach ‚vorwärts‘, also mit den Fersen voraus und ‚arschling‘ könnt ihr euch jetzt bestimmt selber zusammenreimen.

Wir wünschen euch nun viel Vergnügen beim Lauschen, Schauen, Lernen und Mitsingen.

Der-Jukukuku

Das Liedblatt können Sie hier herunterladen: Der Jukukuku

Alle Beiträge zur LIEDERLUST finden Sie HIER.

Veröffentlicht von

Dagmar Held

Leiterin der Forschungsstelle für Volksmusik in Schwaben

Ein Gedanke zu „LIEDERLUST ♪ 39 – Der Jukukuku is im Winkerl gsessn“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert