LIEDERLUST ♪ 20 – Das menschliche Leben eilt schnelle dahin

Eines der für mich beeindruckendsten Lieder ist „Das menschliche Leben eilt schnelle dahin“. Es begleitet mich schon sehr lange und berührt mich immer wieder aufs Neue. In ausdrucksstarken Bildern werden die wichtigsten Aspekte des Lebens auf den Punkt gebracht. Quasi ein ‚Memento mori’ in Volksliedform!

In Kürze könnte man den Inhalt des Liedes wohl so zusammenfassen: jeden Tag des Lebens nutzen, denn die Zeit schreitet unerbittlich voran. Vor dem Tod sind alle gleich oder ‚das letzte Hemd hat keine Taschen’ (auch wenn das der ein oder die andere im Streben nach Reichtum und Macht allzu oft vergisst) und das Wichtigste: zu vergeben und freundlich und ehrlich zu sein mit seinen Mitmenschen. Dies alles in wenigen poetischen Zeilen, die eine große Kraft entfalten und in ihrer Bildsprache zeitlos aktuell sind. Die schlichte, aber sehr ausdrucksstarke Melodie unterstreicht den Text auf wunderbare Weise.

Dass dieses schöne Lied nicht vergessen wurde und auch in ganz Bayern Verbreitung fand, das verdanken wir Theo Haas aus dem oberfränkischen Pretzfeld. Er konnte es dort in einem ganz besonderen Kontext aufzeichnen:  Um Mitternacht wurde bei Hochzeiten mit diesem nachdenklichen Lied das Brautpaar verabschiedet.

V.li.n.re.: Lukas Linzmeier, Miriam Herderich und Johannes Hegele bei den Dreharbeiten in ‚Lektors Garten‘.

Dichtung oder mündliche Überlieferung?
Sucht man ein wenig in der einschlägigen Literatur, wird man tatsächlich fündig. Zwei Liedstrophen sind Teile eines längeren Gedichts von Klamer Eberhard Karl Schmidt (1746-1781). Vertont und unter dem Titel „Hier sitz ich auf Rasen mit Veilchen bekränzt“ ist es mit einer ähnlichen Melodie in vielen Studentenliederbüchern abgedruckt und hat so wahrscheinlich auch Eingang in die Dorfwirtshäuser gefunden. Aber wie es halt so ist: mit der Zeit gehen Strophen verloren oder es kommen neue hinzu. Und am Schluss weiß niemand mehr so genau wo eigentlich der Ursprung ist. Aber das macht auch gar nichts aus. Wenn ein Lied gefällt, wird es gesungen und weitergegeben und das ist das Wichtigste.

In unserem Fall haben es zwei Strophen der Dichtung von K. Schmid nach Pretzfeld geschafft. Die dritte Strophe, die bei der Pretzfelder Variante die eigentliche Quintessenz des Liedes darstellt, konnte ich sonst nirgends finden. Aus einem ‚Studenten-Trinklied’ ist ein ‚Lebenslied’ geworden. Wie wunderbar!

Magdalena, Johanna und Lukas singen euch jetzt das Lied vom menschlichen Leben vor. Im wunderschönen Garten von Josef Müller im mittelschwäbischen Oberwiesenbach, auch ‚Lektors Garten’ genannt, war es nicht schwer eine passende Kulisse zu finden. Wir bedanken uns recht herzlich, dass wir dort zu Gast sein durften.

Und nun viel Freude beim Anhören, Zuschauen, Lernen und Mitsingen!

Das-menschliche-Leben-Partitur-Kopie

Alle Beiträge zur LIEDERLUST finden Sie HIER.

Veröffentlicht von

Dagmar Held

Leiterin der Forschungsstelle für Volksmusik in Schwaben

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert