(Anmerkung: Downloadmöglicheit am Ende des Beitrages)
Über den Ansbacher Musiker Bernd Dittl (www.dittlmusik.de), erhielten wir den Scan einer interessanten alten Notenhandschrift.
Dazu, wie er selbst in den Besitz dieser Handschrift gelangte, schreibt Bernd Dittl: Die vorliegende Handschrift übergab mir mein Musikerkollege Jörg Wegner im September 2007. Jörg ist Pfarrer in der Evangelischen Versöhnungsgemeinde Stegen im Dreisamtal, Schwarzwald, Nähe Freiburg. Er ist auch Orgelbauer und spielt unter anderem verschiedene Dudelsäcke der Balkanländer und Diatonisches Akkordeon.
Jörg Wegner hat die Handschrift ca. 1978 im Kreis Lippe, Externtal (zwischen Hameln und Lemgo) von der Enkelin eines ehemaligen Tanzmusikanten geschenkt bekommen. Auf deren Dachboden befanden sich damals noch weitere Gegenstände aus dem Nachlass dieses Musikers (Geigen, ein Kontrabass, eine Buchsbaumklarinette mit 2-3 Klappen, etc.).
Das Notenbuch wurde, wie auf der zweiten Seite zu lesen ist, von dem Musiker Karl Gottlob Wiegand aus Braunsdorf bei Tharandt in Sachsen augenscheinlich im Jahr 1854 angelegt und ist für zwei Geigen gedacht. Sie beginnt mit einer kleinen Geigenschule, in der sowohl die sog. „Anfangsgründe auf Violine“, als auch musiktheoretische Grundlagen niedergeschrieben wurden. In Tabellenform beschreibt Wiegand auf der dritten Seite die Namen der vier Saiten und welche Töne mit welchen Fingern gespielt werden
Dabei ist zu entdecken, dass, zumindest am Anfang, auf den vierten Finger wohl kein gesteigerter Wert gelegt wurde. Er wird erst auf der E-Saite erwähnt . Danach folgt schon die erste Übung mit einer Skala über alle Saiten, und anschließend sind in aller Kürze die Notenwerte, Pausenwerte, Taktarten und sonstige wichtige musikalische Zeichen erklärt. Auf fünf weiteren Seiten sind dann die Tonleitern von C bis Cis-Dur und von F bis Ces-Dur und jeweils die dazugehörigen Moll-Tonarten notiert. Ob diese als regelmäßige Übungen oder nur zur Information gedacht waren, ist leider nicht zu erkennen.
Nach dieser musiktheoretische Einführung folgen nun 141 Tanzmusikstücke, die für zwei Geigen gesetzt wurden. Dabei hat die erste Violine die Melodie und die zweite fast ausschließlich Begleitung (Nachschlag) zu spielen. Beide Stimmen sind immer auf Doppelseiten notiert – links die zweite und rechts die erste Violine.
Im Einzelnen enthält das Buch 39 Walzer, die im 3/4- oder im 3/8 Takt notiert sind. Darunter sind neun einteilige Stücke. Teilweise werden Walzer auch als „Wiener“ bezeichnet. Des weiteren sind zu finden: 23 Schottische (darunter ein sog. „Wiener Schottisch im 6/8-Takt), 22 Galopps, 19 Polkas (wohl langsame), 14 „Eccoß.“ (= Eccossais), zwei Contredanz mit je fünf Touren, drei Polonaisen, drei Märsche, vier Mazurken, drei Françaiseteile und neun sonstige Stücke.
Einige der Stücke in dieser Handschrift sind auch in Franken und Thüringen bekannt gewesen, und werden auch heute teilweise noch gespielt. So steht z.B. der in der thüringer Sammlung „Dreher und Rutscher – 46 Rundtänze aus Urgroßvaters Burschenzeit, gesammelt von Bruno Leipold um 1910“ veröffentlichte „Lauschaer Galopp“ auch in diesem Buch, allerdings unter dem Titel „Pariser Galopp“ (Nr. 38).
Insgesamt handelt es sich um eine Fundgrube interessanter Melodien, die es wert wäre, wieder „in Betrieb genommen zu werden“. Aus diesem Grund bieten wir hier schon mal zwei Stücke aus der Handschrift unverändert, aber neu geschrieben, zum Download an. Ebenfalls herunterladen können Sie sich am Ende die PDF-Datei des Scans der kompletten Original-Handschrift.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
wiegand1854_011_Galopp-Schlag
Download: hier
wiegand1854_110_Walzer
Download: hier
Download des Original-Scans der kompletten Handschrift (ca. 30 MB): hier