LIEDERLUST ♪ 23 – Ich bin’s Kuckuck

Was mir an vielen Volksliedern so gut gefällt, ist ihre poetische Sprache. Man fällt nicht mit der Tür ins Haus, sondern eine Geschichte wird in Bilder verpackt und so bleibt Raum für eigene Assoziationen und Interpretationen. So auch bei dem Lied, das wir euch heute vorstellen möchten: ‚Ich bin’s Kuckuck und bleibs Kuckuck’, eine wunderschöne Aufzeichnung der Geschwister Schiefer aus Laufen an der Salzach.

In vielen verschiedenen Varianten war es im ganzen deutschen Sprachraum verbreitet. Unsere spezielle Form sang 1935 der Saltnerbauer aus Laufen den Geschwistern Schiefer vor. Mich begleitet das Lied auch schon sehr lange und bringt immer wieder etwas in mir zum Klingen. Vielleicht liegt’s an der Melodie, vielleicht am Text? Das kann ich oft gar nicht so genau sagen. Auf jeden Fall singe ich es sehr, sehr gerne.

Weidende Schafe im Günztal – eine Idylle

In den ersten beiden Strophen wird erst einmal ein Idyll gezeichnet – das vom Kuckuck, der im tiefen Wald und auf den grünen Auen der schönen Schäferin sein Lied singt. Ihr ahnt schon, der Kuckuck, der in unserem Lied seine Geschichte erzählt, ist ein recht menschlicher Vogel, der bei der Schäferin anlanden möchte. Aber man bleibt am Ende etwas ratlos zurück. Hat sein Werben Erfolg? Geht das Ganze gut aus oder schlecht? In der dritten Strophe trübt sich nämlich die Idylle ein, der Tod kommt plötzlich ins Spiel, das Lied bekommt eine ganz melancholische Wendung: ‚Ich kehr zu Staub und Asch zurück, woher ich bin’s gekommen.’ Mir fällt bei dieser Textzeile immer das Sprichwort ‚Wie Phönix aus der Asche’ ein. Das würde ja auch ganz gut passen und würde dem Ganzen eine positive Richtung verleihen, denn diese Redewendung steht für einen Neuanfang nach einer großen Niederlage. Aber vielleicht habt ihr ja ganz andere Vorstellungen, wenn ihr dieses Lied singt!?

Josefa und Berta Schiefer (Schönere Heimat, Jg. 49 (1960), Heft 3)

Alles mit de Füaß derganga – Auf der Suche nach Liedern
Dass dieses schöne Lied nicht vergessen wurde, verdanken wir Josefa (Bepi) und Berta Schiefer aus Laufen an der Salzach. Die ‚Schieferl’, wie sie auch liebevoll genannt wurden, waren ein ganz besonderes Schwesternpaar. Sie fielen nicht nur durch ihre Vorliebe für extravagante Kleidung auf, sondern auch durch ihr Interesse für die überlieferte Volkskultur. Sie sammelten Sprüche, Mundartausdrücke, Geschichten, Kinderabzählreime, Kochrezepte und Lebensgeschichten.

„Lange bevor die Alltagsgeschichte oder die Geschichte von unten von den Sozialhistorikern zur Forschungsdisziplin erhoben wurde, haben die Schieferl die Lebensgeschichten ihrer Gewährspersonen – und nicht nur dieser – zu Papier gebracht, deren Lebensumfeld erfasst: Das harte Arbeiten der Schiffer, der Dienstboten, der Häuslleut. Da mischt sich die kleine Welt in die große, da werden Schicksale lebendig, Freudvolles und Leidvolles, das Alltägliche.“ So beschreibt es Hans Roth, der ehemalige Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege 1992 in einer Rundfunksendung sehr treffend.

Überregional bekannt geworden sind sie aber vor allem als Liedsammlerinnen. Josefa Schiefer (1892 – 1980) spielte Harmonika und Zither, ihre zwölf Jahre jüngere Schwester Berta (1904 – 1979) war gelernte Fotografin und beide sangen leidenschaftlich gern. So kamen sie 1931 in Kontakt mit dem Kiem Pauli, der sie ermunterte in ihrer Umgebung nach alten Liedern zu forschen und zu sammeln. Das haben sie mit großer Ausdauer fünfzig Jahre lang gemacht und zum 85jährigen Geburtstag von Bepi wurden all diese Lieder 1977 in dem Liederbuch ‚Vo herent und drent – Die Liedersammlung der Geschwister Schiefer’ zusammengefasst und beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege unter der Federführung von Kurt Becher und Wolfgang A. Mayer veröffentlicht.

Die Ergebnisse ihrer Feldforschungen wurden in einem Liederbuch dokumentiert.

Im Vorwort schreiben die beiden Schwestern:
„Es ist zu bemerken, dass unsere Lieder nicht aus bereits gedruckten Sammlungen entnommen worden sind, sie bedürfen daher auch keiner Literaturangabe. Unsere „Quelle“ sind unsere Vorsinger gewesen, Menschen, die noch im vorigen Jahrhundert geboren und aufgewachsen sind. Von ihnen haben wir diese Lieder erfragt. Wie jener Wildschütz gesagt hat: „Mei Jagd is gwest von Haunsberg bis zun Deisnberg!“ so könnten wir sagen: „Unser Jagd is gwest vom Deisnberg bis ins Innviertl! Alles mit de Füaß derganga binnen schier 50 Jahr!“

Wir hoffen, dass euch das Lied, das wir aus dem Liederschatz der Geschwister Schiefer ausgewählt haben, genauso gut gefällt wie uns und wünschen euch nun viel Freude beim Anhören, Zuschauen, Lernen und Mitsingen!

Ich-bins-Kuckuck

Das Liedblatt können Sie hier herunterladen: Ich bins Kuckuck

Alle Beiträge zur LIEDERLUST finden Sie HIER.

Titelbild von Heinz Strobel aus Stoffenried.

Veröffentlicht von

Dagmar Held

Leiterin der Forschungsstelle für Volksmusik in Schwaben

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