Viele unserer LIEDERLUST-Lieder wurden bei Feldforschungen aufgezeichnet, so auch die schöne niederbayerische Ari „Aber eantadhoi der Doana“, die wir euch diesmal vorstellen möchten. Bei Feldforschungen machen wir uns auf die Suche nach interessanten Sängerinnen und Musikanten, deren Repertoire und Begeisterung immer wieder eine Fundgrube und Inspirationsquelle für unsere Arbeit ist. Wenn die passenden Leute beisammen waren, konnten wir bei Gesprächen am Gartenzaun, in der Küche oder im Laufe eines langen Wirtshausabends immer wieder interessante musikalische Schätze entdecken.
So auch an einem Abend im April 1992 in einem Wirtshaus in Zwiesel, in dem sich der Singstammtisch traf und meinem langjährigen Kollegen Franz Schötz ihre schönen Lieder und Arien vorsangen. Doch lassen wir ihn selbst erzählen:
„Viele unsere Lieder wurden auf Feldforschungswanderungen oder ähnlichen Unternehmungen aufgefunden. Nur wenige entstammen gedruckten Notenausgaben. Wer einmal länger über seinen musikalischen Liedbesitz nachdenkt, der wird feststellen, dass die erste Begegnung mit einem Lied sehr oft mit einer menschlichen Begegnung oder einer anderen klingenden Quelle einhergeht. Man lernt die meisten seiner Lieder, gerade die ‚liabsten’, die einem wirklich als geistigen Besitz ‚gehören’, nicht von Noten, sondern übers Ohr. So auch das Lied „Aber eantadhoi der Doana“. Die Tonaufnahme dazu habe ich im April 1992 machen können. Alexander Wandinger, jetzt beim Trachteninformationszentrum des Bezirks Oberbayern in Benediktbeuern, hatte mich auf den Singstammtisch in Zwiesel aufmerksam gemacht und dorthin begleitet. Es war beeindruckend, den damals schon gut 80jährigen „Feiderer“ (so sein Hausname) Hans und seine Singfreunde wie den Rankl Helmut zu treffen, deren „Feiderer Ari“ mir schon seit Jahren im Ohr klang. Unvorstellbar für mich als Bass-Sänger deren Fähigkeit, sich mit ihren rauen Kehlen in höchste Tenorlagen emporzusingen. Eine Kunst, die heute nur noch selten angetroffen werden kann. Ebenso die Praxis des „schlagerischen“ Singens: einer fängt an (Feiderer Hans), ein anderer „schlagt“ nach der Eröffungszeile die Überstimme drüber (Rankl Helmut), andere „schlagen“ die Unterstimme oder eine Bassstimme wieder eine Phrase später darunter. Die Zeiten, solche Raritäten aus älteren Schichten mündlicher Singpraxis außerhalb der veranstalteten und medial vermittelten Volksmusik anzutreffen, sind heute nahezu vorbei. Die Volksmusik hat eine „Mediamorphose“ durchlaufen. Repertoire wie Klang werden heute weitestgehend von den Medien geprägt.„
Wenn ihr noch mehr über das Thema Feldforschung und die interessanten Begegnungen und Erfahrungen, die man dabei machen kann, lesen wollt, dann könnt ihr das in einem früheren Blogbeitrag von Franz Schötz tun.
Aber hier erst noch eine Aufnahme des Zwieseler Singstammtisches, dessen Klangerlebnis Franz Schötz so beeindruckt hat. Und lasst euch nicht den Kommentar vom Feiderer Hans entgehen. Nach dem Singen der Ari erzählt er, wie es zum zweiten Vierzeiler gekommen ist. Seine Schwester hatte sich über den ersten Vierzeiler geärgert, in dem die ‚Deandln vom Woid’ so schlecht wegkommen. Ihr ist eine wunderbare Retourkutsche dazu eingefallen.
Wir hoffen, dass euch diese energiegeladene Aufnahme genauso inspiriert und begeistert wie uns.
Wir wünschen euch nun viel Freude beim Lauschen, Lernen und Mitsingen!
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2 Antworten
Liebe Dagmar,
grad bin ich über Deine wirklich köstliche Seite gestolpert, die sich für mich wie eine spannender Krimi liest: Das Historische, was als solches verstanden wird, die Sängerinenn und Sänger der Aufzeichung, Euere neue, moderne Fassung, die Geschichte zu allem – ganz wunderbar.
Nach Jahren des Rückzugs ist diese Publikation eine echte Freude und ein Genuß für mich.
Danke von Herzen dafür!
Viele Grüße
Eva
Liebe Dagmar,
danke für die immer wieder schönen Lieder.
Liebe Grüße aus Apfeldorf
Achim Wittmann