LIEDERLUST ♪ 52 – ’S ist alles dunkel, ’s ist alles trübe

Mit dem Frühling kommen Sonne, gute Laune und Frühlingsgefühle. Am liebsten würde man den ganzen Tag draußen verbringen und sich an den Sonnenstrahlen wärmen. Das tut einfach gut und das kann man sogar nachmessen. Unser Körper produziert mehr Endorphine, die sogenannten Glückshormone. Wir fühlen uns glücklicher und beschwingter. Da möchte man dem Protagonisten unseres neuen LIEDERLUST-Liedes doch gerne zurufen: „Geh doch mal ein bisschen an die Sonne!“ Sein Seelenzustand ist nämlich verheerend, denn sein Schatz hat ihm die Liebschaft aufgekündigt: ’S ist alles dunkel, ’s ist alles trübe, dieweil mein Schatz einen andern liebt.

Zum Glück bleibt es nicht so tragisch wie es in der ersten Strophe beginnt. Dieses in ganz Deutschland seit etwa 1850 bekannte Volkslied wurde auch gern in den bayerischen Wirtshäusern gesungen und da hat sich die ein oder andere lustige Strophe dazugesellt, so wie die folgende:

Was nützet mir ein schöns paar Stiefel, wenn andre drin spazierengehn?
Und latschen mir die Absätz ab und latschen mir die Absätz ab.
Woran ich meine, so ganz alleine, woran ich meine Freude hab.

Maximilian Held setzt unser Liederlust-Lied schön in Szene.

Dass dieses Lied bis in unsere Tage so weit verbreitet war, verdankt es nicht nur seiner frischen Melodie sondern ganz sicherlich auch der Veröffentlichung im „Zupfgeigenhansl“, dem Liederbuch der Wandervogelbewegung. Der „Zupfgeigenhansl“ wurde 1908 von dem Musikstudenten und späteren Arzt Hans Breuer (1883-1918) zusammengestellt und herausgegeben.

Die Wandervogelbewegung war eine Bewegung junger Menschen, die sich um 1896 gebildet hat aus Protest gegen die bürgerliche Enge und den Zwang und die Autorität im damaligen Kaiserreich und inspiriert durch romantische Ideale und dem Wunsch in der Natur zu sein. Aus dieser Idee entstand dann auch die Jugendbewegung.

Hans Breuer, der 'Vater' des Zupfgeigenhansls, um 1910

Bereits als Schüler kam Hans Breuer in Berlin mit der Wandervogelbewegung in Kontakt und begeisterte sich für das deutsche Volkslied. Das von ihm zusammengestellte Liederbuch prägte den Liederschatz der Jugendbewegung stärker als jedes andere Buch. Das Buch wird in beinahe unveränderter Form bis heute gedruckt. Die Gesamtauflage ist unbekannt, wird aber auf über eine Million Exemplare geschätzt. Die Sammlung enthält in den späteren Auflagen 260 Lieder und ist in folgende Themenbereiche gegliedert: Abschied – Minnedienst – Liebesklage – Balladen – Geistliche Lieder – Am Abend – Freude – Sommerlust – Auf der Landstraße – Auf Schiffen und Rollwägen – Spinnstube – Soldatenlieder – Schlemmlieder – Beim Bauer – Tanz – Schnurren. Ein Teil der Lieder hat Hans Breuer direkt auf Wandervogelfahrten gesammelt, viele Lieder wurden aber auch aus anderen Volksliedsammlungen wie z.B. Des Knaben Wunderhorn von Brentano oder dem Deutschen Liederhort von Erk und Böhme übernommen. Das Liederbuch hat damals einen Nerv getroffen, ganz sicher auch durch die sorgfältige und gelungene Auswahl der Lieder. Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass es das einflussreichste Liederbuch des 20. Jahrhunderts war. Auch in Bayern war und ist es sehr weit verbreitet.

Auch Liederbücher können Geschichten erzählen. Diese Ausgabe wurde in den USA gedruckt und an deutsche Kriegsgefangene im zweiten Weltkrieg verteilt. Einer davon hat es mit nach Deutschland gebracht.

Unser Lied findet sich, wie könnte es auch anders sein, unter der Rubrik ‚Liebesklage’ und dort beginnt es nicht nur tragisch, sondern endet auch sehr nachdenklich:

Bald kommen nun die schwarzen Brüder und tragen mich zum Tor hinaus
und legen mich ins kühle Grab, und legen mich ins kühle Grab,
worin ich ewig, worin ich ewig, worin ich ewig Ruhe hab.

Originaldruck aus dem Zupfgeigenhansl

Vielleicht war das dem ein oder anderen Wirtshaussänger doch zu düster und so ist diese letzte Strophe im Laufe der Zeit verlorengegangen oder wurde durch lustige Neudichtungen verdrängt wie z.B. die Strophe von den abgelatschten Stiefelabsätzen.

Ein Paar Stiefel mit Geschichte finden sich in der Kreisheimatstube in Stoffenried. Wer diese Absätze wohl abgelatscht hat?

Mir ist das Lied 1985 beim „Bayerischen Dreiklang“, der gesamtbayerischen Volksmusikwoche des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege begegnet. Erwin Zachmeier (1928 – 1991), der damalige Volksmusikpfleger für Franken hatte es mitgebracht und es wurde zum Renner im Bierstüble. Vielleicht geht es euch ja auch so, dass bestimmte Lieder mit den Menschen verbunden sind, von denen ihr sie zum ersten Mal gehört habt. Mit Erwin Zachmeier verbinde ich viele Lieder, die er mit unvergleichlichem Witz und viel pädagogischem Geschick vermittelt hat. Seine Lieder wurden immer zu Hits auf den Lehrgängen. Bei vielen jungen Sängerinnen und Sängern hat er so auf ganz leichtfüßige und spielerische Weise das Interesse an fränkischen Liedern geweckt.

Erwin Zachmeier in Aktion beim Bayerischen Dreiklang in den 1980ern.

Zum Aufnehmen haben wir uns diesmal vor eine prächtig geschnitzte Tür in der Kreisheimatstube in Stoffenried gestellt. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Bärbel Mettenleiter-Strobel, dass wir dort immer wieder unsere LIEDERLUST in Szene setzen dürfen.

Wir wünschen euch nun viel Vergnügen beim Lauschen, Schauen, Lernen und Mitsingen.

lvm019_s_ist_alles_dunkel

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