Auf dem Oktoberfest wurden heuer fast sieben Millionen Liter Bier getrunken und wahrscheinlich hat tausende Male ‚Ein Prosit der Gemütlichkeit’ beim Austrinken geholfen. Man könnte meinen, es gibt nur dieses eine Trinklied auf der Welt. Ganz sicher nicht. Davon gibt es wirklich unzählige – mal mehr, mal weniger originelle. Eins davon möchten wir euch nun vorstellen. Vielleicht ja als Inspiration für euer nächstes Feierabendbier!?
‚Stoßt an, stoßt an, stoßt immer an, man lebt ja nur einmal’, dieses fast schon fatalistische Trinklied ist früher im Wirtshaus von Suppingen, einem kleinen Dorf auf der schwäbischen Alb erklungen. Und wie es dazu kam, dass es dieses Lied in ein Liederbuch geschafft hat, davon gibt es eine interessante Geschichte:
1937 trommelte man alle singfreudigen Suppinger im Wirtshaus zum Singen zusammen. Wilhelm Kutter, Redakteur beim süddeutschen Rundfunk war der Initiator dieses legendären Wirtshausabends auf der Schwäbischen Alb. Auf der Suche nach authentischen Volksliedern für ein Hörspiel, in dem er einen Spinnstubenabend lebendig werden lassen wollte, ist seinem Texteschreiber Hans Reyhing das Dorf Suppingen wieder eingefallen. Reyhing stammte selbst von der Alb und erinnerte sich an einen Heimatabend, bei dem recht lustige Lieder gesungen wurden. Und so beschlossen die beiden, dorthin zu fahren. Wilhem Kutter erinnert sich:
„An einem Samstagabend im Februar 1937 fuhren wir durch hohen Schnee nach Suppingen. Dort waren in einer großen Wirtsstube alle Altersklassen des Dorfes versammelt. Nachdem wir unser Anliegen vorgetragen hatten, begann die Jugend mit ihren Liedern. Es waren die damals üblichen Gesänge. Die Frauen und Männer im „besten Alter“ kamen über ein paar schmalzige Gesangvereins- und Heimatlieder nicht hinaus. So wurde der Kreis immer kleiner und am Schluss, in der letzten Stunde vor Mitternacht, blieben noch drei bis vier Bäuerinnen übrig, alle wohl schon über sechzig Jahre alt, die nun plötzlich auftauten und Lieder aus ihrer Jugend sangen, ernste und sehnsuchtsvolle und noch mehr heitere, zu denen sie echt schwäbisch ‚Schnitz’ sagten. Wir schlugen in gedruckten Volksliedersammlungen, die wir mitgebracht hatten, nach und stellten freudig fest, dass die meisten dieser Lieder noch nirgends aufgezeichnet waren. An ein Dutzend Lieder haben wir so an diesem Samstagabend in Suppigen entdeckt und erstmals festgehalten.“
Man kann sagen, der Abend war ein voller Erfolg. Mit von der Partie bei diesem Forschungsunternehmen war auch der örtliche Lehrer Jonas Köpf. Er konnte Lieder nach dem Gehör in Noten fassen und hat sich in den folgenden Wochen und Monaten akribisch an die Aufzeichnung des Suppinger Volksliederschatzes gemacht. Er ging von Haus zu Haus um nach Texten und Melodien zu fragen und konnte noch viele Lieder aufspüren. Aus dem einmaligen Projekt, für ein Hörspiel Lieder zu finden, ist dann schließlich sogar ein Liederbuch geworden. Um die Lieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und auch als Inspiration und Anregung für andere Gemeinden, hat der schwäbische Albverein 1953 die aufgezeichneten Lieder im „Suppinger Liederbuch“ veröffentlicht.
119 Lieder sind darin enthalten – Lieder über die Liebe, Verrat, Eifersucht, das Jäger- und Schäferleben, schaurige Moritaten und witzige ‚Schnitz’, so nennt man die Vierzeiler auf der schwäbischen Alb.
Wir sitzen nicht im Wirtshaus in Suppingen, sondern in der Kreisheimatstube in Stoffenried im Landkreis Günzburg und bedanken und uns ganz herzlich, dass wir nicht nur dort aufnehmen, sondern auch ein köstliches Bier aus der Hausbrauerei genießen durften.
Und nun wünschen wir euch viel Freude und einen guten Durst beim Mitsingen.
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