LIEDERLUST ♪ 46 – Aber Schatz, aber Schatz

Herbstzeit ist Erntezeit und jeder, der einen Garten hat, weiß im Moment gar nicht, wie er all die Schätze verarbeiten soll, die die Beete und Bäume jeden Tag zu bieten haben. Bei mir sind es gerade die Birnen, die dringend gegessen werden wollen und an denen ich mich freue. Zum einen, weil der Birnbaum noch von meinem Vater gepflanzt wurde und mich an ihn erinnert und zum anderen, weil sie wirklich köstlich schmecken. Ein Birnbaum spielt in dem Lied, das wir euch diesmal vorstellen wollen, auch eine wichtige Rolle.

Gehört habe ich dieses schöne Liebeslied von Franzi (1944 – 2020) und Wini Säckl (1937-2023), einem sehr singfreudigen Ehepaar aus Augsburg, das ich euch ja schon in früheren Beiträgen vorgestellt habe. Sie haben sich über viele Jahre hinweg ein eindrucksvolles Repertoire verschiedenster Lieder zugelegt. Lustige Wirtshauslieder und freche Couplets waren genauso enthalten wie poetische Liebeslieder und anrührende Abschiedslieder. Gespeist war diese unbändige Singlust, mit der sie viele Gesellschaften unterhalten und Abende bereichert haben, ganz sicher auch von ihren Eltern, die von klein auf mit beiden gesungen haben.

Singen war für die beiden ein essentielles Lebensmittel. Sie brauchten kein Instrument zur Begleitung, sie waren sich selber genug. Franzi mit ihrer tiefen, etwas heiseren Altstimme und Wini mit seinem Tenor brachten jedes Lied selbstverständlich auch zweistimmig zum Klingen. Sie haben so einen ganz eigenen Klang entwickelt, der mich immer wieder sehr berührt hat.

Franzi und Wini haben mit ihren Liedern viele Abende bereichert..

 

‚Aber Schatz, aber Schatz, was zornest du’ ist ein Liebeslied aus dem Repertoire von Franzis Familie, die ursprünglich aus Soroksár, einer deutschen Siedlung in der Nähe von Budapest stammt. Nach dem zweiten Weltkrieg sind ihre Eltern in Augsburg gelandet. Auch in ihrer neuen schwäbischen Heimat wurde der mitgebrachte Liedschatz aus Ungarn gepflegt. Es gab, laut Franzi, kein Familientreffen, bei dem nicht gesungen wurde – deutsche und auch ungarische Lieder.

Inhaltlich geht es in dem Lied, wie in so vielen Liebesliedern, um das Thema, wann denn endlich geheiratet wird. Verpackt ist dies in eine richtige Story: Sie beginnt mit einem handfesten Streit zwischen dem Paar. Mit einer sehr kreativen Ausrede kann sich der Beschuldigte gerade noch aus der Affaire ziehen. Sie endet mit dem Treueschwur bis zum Tod. Und das alles in nur fünf Strophen. Wow! Da ist wirklich kein Wort zu viel und keins zu wenig, aber alles gesagt.

Am besten gefällt mir persönlich ja die Ausrede, die sich der untreue Liebhaber ausgedacht hat, um seine Liebste zu besänftigen. „Das war ja nur ein halber Kuss, den hab ich kaum gespürt!“ Das muss einem wirklich erst mal einfallen.

Einen Birnbaum haben wir nicht gefunden. Ein Quittenbaum tuts auch.

Dem Birnbaum ist die Rolle als Zeitmesser zugefallen. Wenn er Birnen tragen wird, dann werden die beiden ein Paar. Und die rosaroten Blüten des Birnbaums stehen für die unverbrüchliche Liebe bis in den Tod. Diese poetische Bildsprache ist ganz typisch für Volkslieder und macht auch ihren Reiz aus. Es wird nicht alles eins zu eins ausgesprochen. So Manches ist nur zwischen den Zeilen zu lesen oder wird so verpackt, dass nicht auf den ersten Blick gleich alles klar wird. Das gibt den Liedern Tiefe und Zeitlosigkeit.

Aus Mangel an einem Birnbaum haben wir das Lied unter einem Quittenbaum aufgenommen, der in Lektors Garten in Unterwiesenbach im Landkreis Günzburg steht. Wir bedanken uns ganz herzlich, dass wir dort zu Gast sein durften.

Und nun viel Freude beim Zuhören und Mitsingen.

Aber-Schatz-aber-Schatz-2stg-Partitur

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