LIEDERLUST ♪ 35 – Es war einmal eine Müllerin

Weiter geht’s nach der Sommerpause mit unserer LIEDERLUST. Diesmal möchten wir euch ein Lied von einer starken und emanzipierten Frau vorstellen. Da muss man bei den Volksliedern schon etwas suchen, denn viele Lieder sind, was das Rollenbild der Frau angeht, schon etwas ‚aus der Zeit gefallen’. Man hat hier oft die Wahl zwischen nudelholzschwingender Ehefrau, böser Schwiegermutter oder sanftem Weibchen, das jede Eskapade des Mannes bzw. potentiellen Liebhabers klaglos hinnimmt. Zum Glück gibt es aber auch noch andere Lieder, in denen sich die Frau selbstbewusst präsentiert und nichts gefallen lässt, wie in der Ballade von der stolzen Müllerin.

Diese sogenannte Schwankballade handelt von einem Ehestreit bei Müllersleuten. Die Müllerin legt großen Wert auf ihre Eigenständigkeit und lässt sich von ihrem Ehemann nicht unter Druck setzen. Schlagfertig weist sie den Müller in seine Schranken. Belegt ist diese Ballade seit dem 15. Jahrhundert und wurde in verschiedenen Varianten bis in jüngste Zeit noch gern gesungen. Wir haben uns für eine Fassung entschieden, der eine Aufzeichnung aus Südtirol zugrunde liegt, die der Volksliedforscher Alfred Quellmalz 1942 in Agums bei Prad aufschreiben konnte. Die Arzberger Sänger aus Oberfranken haben sich das Lied zurechtgesungen und in dieser Form wurde es auch bei Lehrgängen des Landesvereins verbreitet. Ihr seht, Lieder wandern, werden umgestaltet und durchs Weitertragen auch verändert. So bleiben sie auch lebendig. Die Notenschrift ist oftmals eh nur eine ungefähre Skizze, gerade bei rhythmisch frei gesungenen Liedern wie diesem. Da bleibt viel Freiraum für eine persönliche Gestaltung und den sollte man sich auch nehmen.

Lukas Linzmeier und Magdalena Held bei den Aufnahmen vor der Wollbacher Mühle.

Doch zurück zur stolzen Müllerin und dem Ort des Geschehens, der Mühle. Sofort tauchen Bilder und Geräusche vor dem inneren Auge auf – das große, sich immerfort drehende Mühlrad, die meist idyllische Lage an einem rauschenden Bach, der das Mühlrad antreibt, knarrendes Holz und rumpelnde Mahlsteine. Durch die abgeschiedene Lage außerhalb eines geschlossenen Siedlungsverbandes von Dorf oder Stadt hatten die Bewohner einer Mühle eine Sonderstellung in der Gesellschaft. Das regte die Phantasie für Gerüchte, Märchen, Aberglauben und Zaubervorstellungen an. Das Leben dort entzog sich der gesellschaftlichen Kontrolle, weshalb man dort vielleicht auch ein freizügiges Treiben vermutete.

Doppeldeutig ist auch der Vorgang des Mahlens, wenn die Müllerin dem Müller den Einlass in die Mühle verweigert: „Mach dir nicht auf, lass dich nicht ein,…. ich hab die ganz Nacht gmahlen mit schönen jungen Knaben vom Abend bis zum Tag.“ Die Drohung des Müllers, die Mühle zu verkaufen und das Geld zu versaufen, lässt die Müllerin völlig kalt und sie kontert unbekümmert, dass sie dann eine Liebschaft mit einem Mann eingehen werde, der ihr gefällt und sie hofiert. Im Lied ist dies durch das Bild der Mühle verschlüsselt, die sich die Frau neu auf ‚ewig grüner Auen’ bauen will.

Bitte nicht zurücktreten! – Bei den Erläuterungen zur Ballade ist der optimale Platz direkt am rauschenden Bach.

Mag sein, dass solche Sprachbilder dazu beitrugen, dass die Mühle im Volkslied zu einem Ort des Liebesabenteuers geworden ist – des handfesten, des galanten oder des romantischen.

Wir haben auch eine besonders romantisch gelegene Mühle für unsere Aufnahme gefunden, die Mühle in Wollbach bei Zusmarshausen. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Wolfgang Miller, dass wir dort aufnehmen durften.

Aber nun ist es wirklich Zeit zum Singen! Viel Vergnügen mit der Ballade von der stolzen Müllerin.

Wir wünschen viel Spaß beim Lauschen, Lernen und Mitsingen!

Es war einmal eine Muellerin 4st – Partitur-1

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3 Antworten

  1. Hallo Frau Held, Herr Lampertz mit Team,
    Ihr Lieder- mitsingangebot ist einfach genial.
    Es macht mir große Freude mit zu singen.
    Die Aufstellung der einzelnen Stimmen ist super. Mein Mann sang sofort den Bass mit.
    Einfach super. Danke
    Gertrud und Alois Kaiser

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