Dr Müller vo Egg hat siebazeh Beck

Der folgende Beitrag „Mühlenlieder in schwäbischen Liedaufzeichnungen“ stammt von Christoph Lambertz, Volksmusikpfleger beim Bezirk Schwaben:

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“, „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad“ – die romantischen Volkslieder des 19. Jahrhunderts sind auch heute noch bekannt und vielgesungen. Sie können jedoch als Beleg dafür dienen, dass die Arbeitswelt des Müllers bereits vor 200 Jahren romantisch überzeichnet wurde. Ein anderes Bild des Müllerhandwerks zeigt sich, wenn man Lieder aus der volkskundlichen Liedaufzeichnung betrachtet. Dies sei an drei kleinen Beispielen gezeigt, die Dagmar Held vom Volksmusikarchiv in Schwaben und die Lehrerin Gertraud Gerich Ende der 1980er Jahre bei Gewährsleuten in Bayerisch-Schwaben dokumentieren konnten.

Dr Müller von Egg
Dr Müller vo Egg / hat siebazeh Beck,
a oiziga Kuah, / an Schweizer dazua.
Dr Müller will mahla, / es rattrat des Tromm, / hol-ria-ria-di-om.
Dr Schweizer will melka, / dia Dutta send kromm, / hol-ria-ra, hol-ria-ra-di-om.

Georg Niederwieser (*1901), Landwirt aus Oberwiesenbach bei Krumbach sang Dagmar Held diesen Spottvers vor. Sie schreibt dazu: „Herr Niederwieser spielte … eine kleine zweireihige Ziehharmonika und hatte sichtlich Vergnügen beim Singen solcher spöttischer Vierzeiler, von denen er noch mehr auf Lager hatte. […]. Eine ältere Dame, die auf der nahegelegenen Mühle in Oberegg aufwuchs, berichtete mir, Georg Niederwieser hätte diesen Vers selbst gedichtet um sich am Müller zu rächen, der ihm die von ihm umschwärmte Müllerstochter verweigert hatte. Er war ja schließlich nur ein armer Bauernsohn.“

Dr Müller von Egg


Oh, du verzweifelts Milililil
Schon in der 1852 von Ernst Meier herausgegeben Sammlung „Schwäbische Volkslieder“ findet sich das Lied vom verzweifelten bzw. verdammten „Müllerle“, dessen Arbeit von stets unterschiedlichen Wasserständen abhängig ist: „Bald isch des Wasser z’groaß und gibt der Mühl an Stoaß. Bald isch des Wasser z’kloi, bald fehlt es an de Stoi.“ Das Lied wurde in Varianten in verschiedenen Gegenden des schwäbisch-alemannischen Sprachraums aufgezeichnet In Oberringingen im Kesseltal (Landkreis Dillingen) trug es der „Pfeifabauer“ Xaver Reiter (*1902) vor. In seiner Version herrschen auf der Mühle unsittliche Verhältnisse (Bald fehlts am Wasserrad, bald schlauft dr Knecht bei dr Magd) und auch das Klischee des betrügerischen Müllers kommt vor (Bald stiehlt er am Bauer ‘s Kora, bald nimmt er da Ochs beim Hora). Das Lied eignet sich besonders für den lautmalerischen Vortrag: „Beim Singen des ‚Milililil‘ variierte er [der Pfeifabauer] im Tempo und imitierte so akustisch das Plätschern des Wassers übers Mühlrad.“

Oh, du verzweifelts Milililil kürzer

 

Es war amol a Müllerin
Die Schwankballade handelt von einem Ehestreit bei Müllersleuten. Belegt ist sie seit dem 15. Jahrhundert und war anscheinend noch in der Zeit des Ersten Weltkriegs in einer Fassung als Marschlied weit verbreitet. So wurde sie auch in Oberringingen aufgezeichnet. Doppeldeutig ist der Vorgang des Mahlens, wenn die Müllerin dem Müller den Einlass in die Mühle mit den Worten verweigert: „Ich steh nicht auf, lass dich nicht rein, … denn ich hab heut Nacht gemahlen, mit zwei so wunderschönen Knaben, kann besser mahl‘n als du.“  Dass Lieder mit anzüglichem Inhalt oft in einer Mühle spielen, mag an der Lage an Gewässern, meist außerhalb der geschlossenen Ortschaft liegen. Das Leben dort entzog sich somit der gesellschaftlichen Kontrolle, weshalb man dort ein freizügiges Treiben vermutete.

Weiterführende Literatur:

Griebel, Armin: Mühle, Müller und Müllerin im Lied, in: Volksmusik in Bayern. Mitteilungsblatt der Volksmusikberatungsstellen des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V., 25. Jg. (2008), S.33-40

Held, Dagmar: Seine Augen glänzen silbergrün… Lieder und Geschichten von unheimlichen Wassermännern, klappernden Mühlen und stolzen Müllerinnen…, in: Augsburger Volkskundliche Nachrichten, 18. Jg. (2012), S.98

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