Stehn zwei Stern am hohen Himmel

Zur Zeit begleitet mich ein Ohrwurm und wie das bei Ohrwürmern so ist, meldet er sich gleich beim Aufwachen, begleitet mich auf dem Weg zur Arbeit und summt mich abends in den Schlaf. Eingepflanzt hat ihn mir meine Tochter Magdalena, die ganz beseelt von einer Chorprobe nach Hause kam. Für eine Konzertreise nach Südamerika mit dem Kammerchor der Universität Augsburg studierten sie auch einige deutsche Volkslieder ein und eins davon fand sie ganz besonders schön: „Stehn zwei Stern am hohen Himmel“, ein sehr poetisches Liebeslied mit einer wunderschönen Melodie. Sie hat es mir gleich vorgesungen und seitdem lässt mich die Melodie nicht mehr los. Auch den Text finde ich sehr berührend:


Stehn zwei Stern am hohen Himmel
leuchten heller als der Mond,
leuchten so hell, leuchten so hell,
leuchten heller als der Mond.

Ach, was wird mein Schätzlein denken,
weil ich bin so weit von ihr.
Weil ich bin, weil ich bin,
weil ich bin so weit von ihr.

Gerne wollt ich zu ihr gehen,
wenn der Weg so weit nicht wär.
Wenn der Weg, wenn der Weg,
wenn der Weg so weit nicht wär.

Gold und Silber, Edelsteine,
schönster Schatz, gelt, du bist mein!
Ich bin dein, du bist mein,
ach, was kann denn schöner sein!

Buch_Blume

Beim Recherchieren fiel mir auf, dass das Lied schon lange in diversen Liedsammlungen in meiner Bibliothek unbeachtet schlummert. Bestimmt habe ich schon oft drüber geblättert, vielleicht auch schon drüber gelesen, aber ohne Klangeindruck bleibt man einfach nicht dran hängen. Im Liederlexikon des Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg finden sich einige interessante Informationen zu dieser Liedaufzeichnung:
In der heute bekannten Form ist dieses schöne Liebeslied erst seit Beginn des 20. Jhs belegt. Es beruht auf dem im 19. Jh. in vielen Text- und Melodievarianten kursierenden Lied „Ach, was soll mein Schätzlein denken“. Bei der Strophe „Stehn zwei Stern am hohen Himmel“ handelt es sich um eine Wanderstrophe, die erst im Lauf der Zeit an den Anfang rückte. Vor allem die Adaption des Liedes durch die Wandervogelbewegung und die Veröffentlichung in ihrem Liederbuch, dem „Zupfgeigenhansl“ (Erstausgabe 1909) etablierte die vorliegende Fassung des Liedes. In einigen Gebrauchsliederbüchern findet sich auch der Hinweis „Volkslied aus dem Odenwald um 1885“ oder „Volkslied aus dem Westerwald“. Für mich besonders interessant war, dass ich das Lied auch in einer Liedtextsammlung aus dem Kesseltal (ein kleines Bachtal am südlichen Riesrand) entdeckt habe. So hat es auch einen direkten Bezug zu Bayerisch-Schwaben.
Und berührt hat dieses Lied anscheinend nicht nur mich und meine Tochter sondern auch den unbekannten Benutzer einer alten Ausgabe des  „Zupfgeigenhansl“ in meiner Bibliothek. Beim Blättern darin findet sich auf der Seite mit dMagdalenaem Sternenlied eine getrocknete Mohnblume als Lesezeichen. Oder vielleicht ists ja auch eine kleine Liebesgabe. Wer weiß! Aber jetzt lasst euch auch von der schönen Melodie berühren. Magdalena singt es euch vor.

Stehn zwei Stern am hohen Himmel - Partitur
Download „Stehn zwei Stern am hohen Himmel“

Bildnachweis: Der Künstler des Titelbildes ist Maximilian Görgens.

Veröffentlicht von

Dagmar Held

Leiterin der Forschungsstelle für Volksmusik in Schwaben

8 Gedanken zu „Stehn zwei Stern am hohen Himmel“

  1. Bei einer Hochzeit in Westfalen zur Sommersonnenwende 2023 wurde dieses Lied gesungen. Als ich zum westlichen Himmel blickte fiel mir auf, dass zwischen der untergehenden Sonne und der hell strahlenden Venus eine dünne Mondsichel lag. Tatsächlich kann die Venus unter Umständen nahezu so hell sein wie die dünne Mondsichel genau wie im Lied beschrieben. Dabei ist der Liebhaber als Sonne gedacht, die Geliebte als strahlende Venus. Nach einiger Zeit bewegen sich Sonne und Venus aufeinander zu: „ich bin Dein, du bist mein. Ach, was kann denn schöner sein!“ endet das Lied. Der Astronom spräche von einer „unteren Konjunktion.“ Dem Brautpaar war nicht bewusst, dass ihre Hochzeit einen wahrhaft himmlischen Hintergrund hatte. R.K.

  2. Auf der Suche für eine liebe Texas Freundin fand mich Ihre wunder-schöne Webseite. Dafür danke ich Ihnen herzlich.

    Diane lebte einige Jahre in München sowie in Berlin.

    Freudige Grüsse zu Ihnen mit guten Wünschen für Sie alle,
    Gundy (ausgewanderte Schwäbin)

    PS: Es war das Lieblingslied meiner Eltern in der Trennung des WWII.
    (*1923 / *1925 +2015 / +2005)

  3. Ich habe diese Lied im Schulchor gesungen, mehrstimmig, das verlässt mich nie, wie so viele andere Lieder, Singe sie manchmal noch, mir fehlt dann die zweite Stimme, aber ich höre sie in meinem Kopf, heute 67 Jahre alt und singe sehr gerne

    1. Liebe Frau Engelhardt,
      Vielen Dank Ihnen und Ihrer Tochter Magdalena für die wundervolle Darbietung des Liedes „Stehn zwei Stern am hohen Himmel…“ , das heute im Mittagsradio im Zusammenhang mit einem astronomischen Thema zu hören, und das mir leider seit vielen Jahrzehnten entfallen war. Dadurch angeregt, stieß beim Stöbern im Internet auf Ihren Beitrag, mit dem Sie mir eine große Freude bereitet haben.
      Ich kenne das Lied aus meiner frühen Jugend. Erlernte es sehr wahrscheinlich schon in den 1940er Jahren kurz vor dem Ende des II. Weltkrieges in einem Kinderhort in meiner alten Heimatstadt Stolp im damaligen Hinterpommern, wo wir viele Volkslieder gesungen haben. Das schöne besinnliche Lied war mir dann völlig entfallen, und es bedurfte erst des heutigen Anreizes, um mich – inzwischen 86jährig- wieder daran zu erinnern.
      Herzliche Grüße,
      Hans-Joachim Paepke

  4. Danke!!! Sehr schön und schlicht gesungen eines meiner Lieblingslieder. Weiter so! Alles Gute! Bleiben Sie gesund!
    Herzliche Grüße
    Franz-Josef Saam

  5. Das Lied kenne ich aus meinen Kindertagen (vor 60 Jahren). Vermutlich hat es mir meine Lieblingslehrerin gelernt, die auch dafür veranwortlich ist, dass ich heute – mit meinen 72 Jahren immer noch gerne und viel singe.
    Der Text ist einfach zum Herzen gehend !

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